Der Einfluss der „Führungskultur“ auf den Erfolg einer Organisation steht außer Zweifel: Mitarbeiter, die sich gut geführt fühlen, sind motivierter und produktiver als Mitarbeiter, die mit dem erlebten Führungsverhalten nicht einverstanden sind.
Die Führungskultur wird geprägt durch das Verhalten der führenden Personen. Dabei ist nicht die Gesamtheit oder Mehrheit, sondern die kritische Masse ausschlaggebend. Die Wichtigkeit der projektbezogenen Führung – also Führung ohne hierarchische Überordnung – nimmt dabei laufend zu.
Doch welche Führungskultur ist der beste? Die aktuellste und weitgehendste Antwort auf diese Frage lautet „Agile Führung“. Dieser Ansatz begegnet den Herausforderungen der VUCA- Welt (mehr Infos zu VUCA siehe unten) mit einer Kombination aus persönlichen Einstellungen und Verhaltensmustern. Agile Führung integriert dabei die wichtigsten und wirkungsvollsten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte aus den Bereichen Führung und Management (mehr Infos zur Definition von Führung und Management siehe unten):
- Situational Leadership / Situatives Führen (Paul Hersey und Ken Blanchard ab 1969) – das Führungsverhalten richtet sich nach dem in der jeweiligen Situation beobachteten Verhalten des Mitarbeiters
- Transaktionale Führung – insbesondere Management by Objectives / Führung mit Zielvereinbarungen
- Transformationale Führung – Verwirklichung der gemeinsamen Mission und Vision, Förderung intrinsischer Motivation (mehr Infos zu intrinsischer und extrinsischer Motivation siehe unten)
- Authentische Führung (insbesondere Bill George ab 2003) – Integrität durch Reflexion eigener Werte und eigenen Verhaltens, Unvoreingenommenheit anderen gegenüber, Berechenbarkeit und Selbstdisziplin sowie beziehungsorientierte Kommunikation
- TQM (Total Quality Management), Ganzheitliche Organisationslehre, Systemtheorie
Die VUCA- Welt
Das Akronym VUCA steht für:
- VOLATILITY (Volatilität / Flüchtigkeit)
- UNCERTAINTY (Unsicherheit)
- COMPLEXITY (Komplexität)
- AMBIGUITY (Mehrdeutigkeit)
Dieses Modell entstand nach Ende des kalten Krieges im militärischen Bereich, um die Herausforderungen der neuen – zunehmend komplexen – Situation zu beschreiben (mehr Infos zu Komplexität siehe unten). Sehr schnell haben diese Bezeichnung und Definition ihren Eingang in Management und Führung gefunden, da sich auch die Wirtschaft zunehmend mit vergleichbaren Herausforderungen auseinandersetzen muss.
Zum Umgang mit diesen Herausforderungen hat sich ein weiteres Akronym für VUCA gebildet:
- VISION (Vision)
- UNDERSTANDING (Verstehen)
- CLARITY (Klarheit)
- AGILITY (Agilität)
Hier kommt auch das Stichwort „Agilität“ ins Spiel, das „dem Kind seinen Namen gegeben hat“: Agile Führung bzw. Agile Leadership.
VISION – umfasst die Leitbilder und Ziele einer Organisation oder eines Teams, egal ob sie als Vision, Mission, Purpose oder anderweitig formuliert sind. Die Leitbilder und Ziele setzen den großen Rahmen und beantwortet die Fragen: Why? How? und What?, also Warum und Wofür ist das wichtig? Wie genau soll das Ziel erreicht werden? Mit welchen konkreten Aktionen und Handlungen? (siehe auch Simon Sinek’s Golden Circle und das St. Galler Management Modell).
UNDERSTANDING – Um in der VUCA- Welt eine Situation sinnvoll bewerten zu können muss das Gesamtbild und der jeweilige Kontext ausreichend verstanden werden. Dafür braucht es einerseits unterschiedliche Sichtweisen die unvoreingenommen diskutiert werden, was Zeit und andere wertvolle Ressourcen kostet. Andererseits beinhaltet die VUCA- Welt, dass keine Situation jemals vollständig bis ins letzte Detail verstanden werden kann. Es braucht hier also auch die Entscheidung, wann ausreichend Verständnis vorhanden ist und ab wann die Suche nach mehr Verständnis zur Ressourcenverschwendung wird.
CLARITYY – Bei der Klarheit geht es darum, dass alle Beteiligten das Why? How? und What? kennen, dass sie wissen, wie wichtig ihr Beitrag für das ganzheitliche Verständnis ist und, wie genau sie ihre Sichtweise beisteuern können und sollen. Es gehört auch die Klarheit dazu, vollständiges Verständnis einer komplexen Situation nicht erreichen zu können. Und auch die Klarheit über die Auswirkungen des eigenen Handelns sind ein wichtiges Element.
AGILITY – Agil sein, also beweglich, gewandt, wendig, flink, regsam, geschäftig und eifrig die Vision zu verfolgen sowie Verständnis und Klarheit bei sich und anderen Beteiligten zu erzeugen, ist das Führungsverhalten, das in einer VUCA- Welt die besten Ergebnisse verspricht.
Komplexität
Zum besseren Verständnis, was genau mit Komplexität gemeint ist, bietet sich ein Blick auf eine adaptierte Stacey Matrix an (Original von Prof. Ralph Douglas Stacey):
Wenn sowohl die Anforderungen klar/eindeutig sind als auch die Lösungen bekannt/bewährt, ist eine Situation einfach. Sind dagegen die Anforderungen extrem unklar/mehrdeutig und die Lösungen völlig neu/unbekannt ist eine Situation chaotisch. Zwischen diesen Extremen befinden sich die komplizierten und die komplexen Situationen. Komplizierte Situationen können durch die Teilung in kleinere Einheiten vereinfacht werden. Wenn man dagegen komplexe Situationen in kleinere Einheiten unterteilt, werden die Anforderungen nicht mehr vollständig erfüllt. Beispiel: Eine mechanische Uhr kann sehr kompliziert sein, aber sie ist durch einen Fachmann 100%ig beherrschbar. Eine Wettervorhersage ist komplex und auch durch die besten Fachleute niemals 100%ig beherrschbar.
Elemente Agiler Führung
Die wichtigsten Elemente Agiler Führung sind:
- die Grundsätze Authentischer Führung einzuhalten (weiter lesen)
- Leistungsanforderungen verbindlich zu Klären
- das Situativ passende Verhalten zeigen, um wirkungsvoll zu Führen, also entweder „Bestärkendes Feedback“ zu geben, „Korrigierendes Feedback“ zu geben, oder „Fehlverhalten zu Unterbinden“ (weiter lesen)
- Potenziale zu Erkennen und weiter zu Entwickeln
- und Wirkungsvoll zu Delegieren
Management und Führung
Die beiden Begriffe Management und Führung werden manchmal synonym verwendet. Häufig wird aber eine Unterscheidung vorgenommen, die auch hilfreich sein kann. Meistens wird dabei so differenziert, dass sich Führung auf den Umgang mit Menschen und auf Kommunikation fokussiert und Management auf die Gesamtorganisation und auf die Prozesse. So werden Hard- Skills dem Management und Soft- Skills der Führung zugeordnet.
Man kann Führung auch als Teil von Management definieren. Dann geht es beim Management um die Leitung der Gesamtorganisation und bei Führung um die Motivation und Lenkung von Mitarbeitern. Andersherum wird manchmal auch Management als Teil von Führung gesehen. Dann geht es bei Führung um die Leitung der Gesamtorganisation und bei Management um den Umgang mit Zahlen und Fakten.
Motivation
Der Grad der Motivation einer Person beschreibt, inwieweit diese Person in einer bestimmten Situation bereit ist eine bestimmte Handlungsalternative auszuwählen.
Allgemein wird Motivation in verschiedene Stufen eingeordnet:
Motivation 1.0
- Antrieb: grundlegende, „biologische“ Bedürfnisse
- ausgerichtet auf „Überleben“
- extrinsisch (von außen kommend)
- spielt im modernen Arbeitsleben praktisch keine Rolle
Motivation 2.0
- Antrieb: externe Belohnung oder Bestrafung („Zuckerbrot und Peitsche“)
- ausgerichtet auf „Wachstum“
- extrinsisch (von außen kommend)
- Taylorismus / Henry Ford
Motivation 2.1
- Antrieb: nicht monetäre externe Belohnung oder moderate Bestrafung
- ausgerichtet auf „humanes Wachstum“
- extrinsisch (von außen kommend)
- Job Enrichment, Job Enlargement, etc.
Motivation 3.0
- Antrieb: etwas tun, weil es interessant, herausfordernd und/oder faszinierend ist
- ausgerichtet auf Freude an der Tätigkeit und Stolz auf das Ergebnis („Flow“)
- intrinsisch (von innen kommend)
- die Persönlichkeit und eigenen Fähigkeiten ausdrücken / ein selbstbestimmtes und sinnerfülltes Leben führen
Zur Lösung einfacher und komplizierter Aufgaben können Maßnahmen zur Motivation auf Level 2.0 und 2.1 kurzfristig durchaus geeignet sein, denn die Bewältigung dieser Aufgaben hängt von der Durchführung festgelegter Schritte in existierenden Abläufen bis zum logischen Schluss ab.
Langfristig sind Maßnahmen auf Level 2 allerdings auch zur Lösung einfacher und komplizierter Aufgaben häufig kontraproduktiv, da sie den Abbau intrinsischer Motivation bewirken. So werden immer mehr und immer intensivere Maßnahmen auf Level 2 benötigt , um noch einen motivierenden Effekt zu erzielen. Im fortgeschrittenen Stadium kann dann schon das abflachende Wachstum von Maßnahmen auf Level 2 demotivierend statt motivierend wirken.
Zur Lösung komplexer Aufgaben sind Maßnahmen auf Level 2.0 und 2.1 grundsätzlich ungeeignet. Diese Aufgaben erfordern flexible Problemlösungen, Einfallsreichtum und/oder konzeptionelles Verständnis. Hier helfen nur Maßnahmen zur Förderung intrinsischer Motivation auf Level 3.0.